Sonnenstern Kerub

Es war einmal vor langen Zeiten da saß auf dem Turm eines Roten Schlosses, welches in einem Gebirge mit Fichtelbäumen stand, der kleine Sonnenstern Kerub und langweilte sich seit geraumer Zeit. An sich war er ja noch ein Sonnensternkind und somit angeblich viel zu klein für Abenteuer. Jedoch leuchtete in ihm schon der Wunsch einen Menschen zu begleiten. Er wollte auf Wanderschaft gehen, oder besser gesagt fliegen. Nun saß er hier in der Abenddämmerung und wartete darauf, daß sich hier in diesem Schloß aus roten Ziegelsteinen eine Gelegenheit bietet, um mit einem Menschen auf Reisen zu gehen. Jemandem der ihn auch sehen kann und mit dem er sich unterhalten kann. Wie er so darüber nachsinnte mit wem er auf Wanderschaft fliegen möchte, ertönte auf dem Hof des Schlosses ein gewaltiges Trommelschlagen und es fuhren sieben Holzwagen mit bunten Fahnen geschmückt und jeweils von zwei weißen Pferden gezogen wurden, hinein. Aus den Fenstern schauten von dem Lärm angezogen neugierige Gesichter und klatschten im Rhythmus mit.

So wie die Wagen stillstanden sprangen aus denselben fröhliche Menschen, welche bunt und schwarz, Groß und Klein, dick und dünn waren heraus. Sie vollführten, Handstände, Purzelbäume, jonglierten mit Bällen und vollführten noch so andere Kunststücke. Hinter den Glasscheiben der Fenster erblickte Kerub jede Menge Gesichter, welche mit Neugier und Erstaunen dem Auftritt folgten. Besonders in den Augen der Kinder sah er kleine Sterne funkeln und die Münder derselben offen stehen. Sein Blick wanderte von den Kindern in die Richtung eines kunstvoll verzierten großen Holztores aus welchem ein Mann mit einem Umhang aus brauner dicker Wolle umhüllt heraustrat. Mit seinem ernsten Blick und regungslosem Gesicht stand er nun und gebot mit einem lauten und langen Ton, der sich anhörte wie „AUM“ um Ruhe. Ein klein wenig wurde es ruhiger, nur für ihn noch nicht genug und er schlug mit seinem Stab aus Eichenholz auf den Boden und wiederholte sein „AUM“. Solch eine Stille, wie sie nun eintrat, wurde schon seit Ewigkeiten nicht mehr gehört. Der Mann trete sich um und das Königspaar dieses Reiches trat auf den Hof hinaus. Sie gingen genau auf den Anführer des fahrenden Volkes zu und begrüßten ihn.

Kerubs Neugier erweckte das kleine Mädchen hinter dem Königspaar, die Prinzessin und der kleine Akrobat, Tänzer oder Lausbub hinter dem Anführer. Beide Kinder  reichten ihren Eltern gerade einmal bis an den Bauchnabel. Sie schauten sich hinter ihren Eltern stehend tief in die Augen, zwei himmelblaue Augenpaare trafen sich. Neben dem Treiben der großen Leute gingen Beide sich entgegen und reichten sich die Hände. Sogleich legte sich nur für Kerub sichtbar, ein rotes samtiges Band um die Hände der Kinder. Der Junge verbeugte sich etwas linkisch und nannte seinen Namen – Mikael. Eine leichte Röte  trat auf die Wangen der Prinzessin Nisaba.

Nur langsam lösten sie ihre Hände voneinander. Kerub flog näher heran und ließ einen leichten rötlichen Lichtstrahl auf sie nieder und erleuchtete sanft den Weg aus dem Tor heraus. Nisaba nahm ohne Worte Mikael und lief mit ihm mit leisen Schritten von dem großen Geschehen weg vor die Tore des Schloßes in den Schutz der Fichtelbäume. Hier ließen sie sich nieder und erzählten sich ihre Erlebnisse. Nisaba von ihren Büchern, Malereien und der Sternwarte. Mikael erzählte von seinen Reisen und zeigte ihr die Kunststücke, welche er schon konnte. Womit er seine neue Freundin in Erstaunen und Sehnsucht versetzte. Sie lernte bisher nur still sein, sticken, nähen und alles ihren Eltern recht zu machen.

„Warst du denn noch nie auf einem Fest?“ fragte Mikael. Ihre Antwort war ein stummes Kopfschütteln. Mikael kletterte auf den untersten Ast einer nahestehenden Eiche, welche sich inmitten der Fichten seit hunderten Jahren befand. Von hier aus streckte er Nisaba seine Hand entgegen und sie folgte seiner Einladung. In der dichten Krone bereiteten sie ein Nachtlager mit einem Blick über das weite Land und in das Universum hinein. Eine Eichhörnchenfamilie, zwei verliebte Eichelhäher, ein Specht und goldfarbene Schmetterlinge gesellten sich dazu. Friedlich, eng umschlungen und mit gleichmäßigem Atem schliefen sie ein und wurden durch Kerub wohl behütet.

Am nächsten Morgen kitzelten die Sonnenmutter und Kerub gemeinsam die zwei Kinder wach. Kerub flog einmal kurz vor die Nasen der Kinder und stieg dann über die Himmelsleiter zu seiner Mama, um seinen Wunsch ihr anzuvertrauen. Indes begaben sich die Kinder aus dem Schutz des Waldes auf den Weg in das Schloß. Dicke graue Rauchwolken erblickten sie über dem Heim von Nisaba und je näher sie kamen umso mehr wehklagende Menschen strömten aus dem Tore heraus und liefen weg. Im Schloß angelangt sahen sie wie der König und die Königin versuchten ihre Schätze in Sicherheit zu bringen. Daran vorbei lief Nisaba mit Mikael und halfen wo sie konnten den anderen Menschen. Sie gelangten in ihr Zimmer und hier hatte sich der graue Rauch auch schon ausgebreitet, so dass Beide ihr Gesicht mit einem Tuch schützten. Die Prinzessin nahm sich ihren bestickten Lederbeutel und legte, die für sie wertvollsten Dinge hinein. Ein Buch über die Sterne, einen Stoffbären, einen silber glänzenden Stein, ein rotes Wolltuch und ein Kleid aus blauer Wolle.

Als sie wieder auf den Hof traten, verjagten in diesem der König und seine Frau die fahrenden Leute mit finsteren Blicken und den Worten „Ihr tragt die Schuld mit eurer Kunst!“ Schnell verliesen die restlichen Menschen den Hof und somit das Schloß aus roten Ziegelsteinen. Mikael nahm noch einmal Nisaba in die Arme und schenkte ihr ein kleines Schwert, welches er selbst einmal geschenkt bekam. Er musste sich beeilen, um die Seinen einzuholen und gerade noch auf den letzten Wagen hinauf zu springen.

Nun erreichten die Prinzessin strenge Blicke ihrer Eltern. Ihre Augen waren gefüllt mit Tränen und in ihrer Kehle hing ein lauter Ruf nach Mikael fest, den selbst die Sonne und Kerub vernehmen konnten. Auch sie ging mit einem Teil des königlichen Gefolges auf Reisen. Beide Kinder entfernten sich von den Fichten, der Eiche und einer klaren Quelle, welche zwischen silbernen und kristallenen Steinen entsprang. Hier floß klares Wasser als Bach weiter, der im Tale ein Fluß werden sollte. Diesseits und Jensseits führte jeweils eine Straße entlang. Diesseits fuhren die Künstler und Jenseits bewegten sich die Kutschen des Gefolges des Königreiches mit der Prinzessin fort. Der König und die Königin blieben im vom Rauch umhüllten Schloß zurück.

Dank des vollen Leuchtens seines Onkels, dem Mond, fand Kerub am Abend die Lager von Mikael und Nisaba. In einer Birke nahe dem einen Ufer setzte er sich auf einen Zweig und flocht ein Sonnensternband zwischen Beiden und lies sie sich in ihren Träumen begegnen, zeigte sich und ihnen ein weitentferntes weißes Haus mit einem Garten, in welchem sie miteinander leben können.

Auf der Fahrt am kommenden Tage brach die Achse der Kutsche, in welcher Nisaba saß. Das Gefolge in den anderen zwei Kutschen suchte das Weite, nachdem sie alles Tragbare aus der Kutsche der Prinzessin entwendet hatten. Nur ihre alte Amme, der alte treue Kutscher und zwei weiße Schimmel blieben bei ihr. Der Kutscher hatte die Halskette der Mutter mit dem großen blauen Edelstein und legte ihr diesen um den schmalen Hals. Er nahm sie zu sich auf den einen Schimmel und die alte Amme konnte auf dem Anderen mit ihnen weiter reiten.  Dies passierte schon an einer Stelle, wo aus dem Bach ein breiter Fluß geworden war und somit auf der anderen Seite des Flusses niemand dieses Geschehen sehen konnte.

Langsam kamen sie voran und erreichten mit dem Sonnenuntergang eine grüne Wiese geschmückt mit Löwenzahn, Hahnenfuß und Wiesensalbei. Sie legten gemeinsam ein Lagerfeuer an und der Kutscher angelte drei prächtige Fische für eine Suppe mit Wiesenkräutern gewürzt. Nisabas Blicke wanderten hier auf die andere Seite des Ufers und sie sah ein um einiges größeres Lagerfeuer, um welches herum die Menschen in froher Runde sangen und tanzten. In der Nähe standen die Wagen der Künstler und schon erblickte sie im Mondlicht Mikael, wie er gerade dabei war über das Lagerfeuer zu springen. Tiefe Sehnsucht packte sie nach ihm und seinen Gefährten und die Ausgelassenheit der Gemeinschaft. Sie spürte den liebevollen und innigen Blick der beiden Alten auf sich ruhen. „Leg dich schlafen liebes Kind. Morgen sind wir bei der Burg deines Onkels und du wirst alles lernen, was du als brave Königin benötigst.“ Sagte ihre Amme und Nisaba fügte sich ihren Worten und fiel sogleich in einen tiefen Traum. Dieser begann mit einem kleinen roten Stern, der sie beim Sammeln von Kräutern begleitete, ihr über die Schulter schaute beim Lesen der Bücher und dem Entwerfen von Heimstätten für die Menschen. Und ab und zu kam der kleine rote Stern mit einem Gruß von Mikael in Form eines Liedes mit auf einen Ausritt auf dem weißen Schimmel.

Derweil tanzte Mikael noch bis in Morgen hinein und hielt dabei in seinen Gedanken Nisaba in seinen Armen. Er stellte sich vor, wie er mit Nisaba in einem Garten auf welchem ein weißes Haus steht an einem Lagerfeuer mit ihr tanzt, singt und sie gemeinsam einen kleinen roten Stern auf einem Walnussbaum grüßen.

Nach sieben langen Jahren des Reisens, Lernens und so manchem Schmerz, ergab es sich, dass Mikael mit seiner Gemeinschaft über eine Brücke auf die andere Uferseite in die Burg auf dem Giebichenstein fuhr. Hier sollte ein Fest für eine Prinzessin anläßlich ihres  fünfzehnten Geburtstages stattfinden. Es wurden die Wagen in den Burghof gefahren und jeder der Ankömmlinge half bei den Vorbereitungen für das Fest. Der mittlerweile junge Mann Mikael erfuhr hierbei, dass es sich bei der Prinzessin um Nisaba handelte.

Mit Anbruch des Abend war auch Kerub in der Nähe und ließ sich als ein kleiner roter Schmuck auf dem Kostüm von Mikael nieder, damit Nisaba ein Zeichen bekam. Denn nach all den Jahren sollte sie ihre Begleiter der Träume auch erkennen.

Sie hatte vor dem Fest ihre kleine Bibliothek sortiert, ihr neues Schwert mit dem Namen Simga neben das kleine Schwert von damals gelegt und trug ihre gesammelten Steine von einer Seite des Zimmers zur Anderen. So nahm sie keine Notiz von dem regen Treiben auf dem Hof. Mikael jedoch sah sie an dem Fenster hin und her gehen. Somit sah er sich im Gedanken wieder mit ihr durch einen Wald gehen und in der Baumkrone einer Eiche mit ihr den Sternenhimmel betrachten.  Er überlegte sich für seinen Auftritt in der Abendvorstellung eine Geschichte, welche er in seine Darbietung einfließen lies, so daß sie ihn erkennen mußte.

Mit dem Anbruch des Abends erschallten Trompeten und die Trommeln wurden geschlagen. Die Fackeln entzündet damit der Hof in hellem Licht erstrahlte. Alle Künstler und das Gefolge der Burg nahmen ihren Platz ein. Die große Portaltür öffnete sich und der Burgherr mit seiner Gemahlin traten heraus. Ihnen folgte mit ihrer Amme an der Seite Nisaba. Mit ihrem Erscheinen legte sich eine liebevolle Stille über Alle und zauberte selbst dem größten Griesgram ein Lächeln ins Gesicht. Rundherum waren Alle bunt gekleidet in allen erdenklichen Farben, sie selbst trug ein weißes Kleid aus dünnem Tuch, welches bis auf den Boden reichte. Ihre langen dunkelbraunen Haare waren mit weißen Bändern durchwoben. Ihr Mund zeigte ein zartes Rot und darüber strahlten ihre blauen Augen wie zwei wärmende Diamanten. Nachdem jeder drei Atemzüge lang ihre Anmut und Reinheit bewundert hatte, ertönte ein leichtes Hüsteln.

Ihr Onkel und ihre Tante nahmen sie in ihre Mitte und gingen mit ihr an die festlich geschmückte Tafel und nahmen dort Platz. Wer nicht an der Vorstellung mitwirkte oder sonst eine Aufgabe hatte, gesellte sich an die Tafel, die voll von Gerichten und Getränken aus den Zutaten der Umgebung und ihrer Heimat war.

Im Hintergrund hielt sich Mikael bis zu seinem Auftritt und beobachtete seine Prinzessin, welche zwar jede Darbietung aufmerksam ansah und mit Applaus bedachte, jedoch für ihn sichtbar eine tiefe Traurigkeit in ihrem Gesicht lag. Mit einem extra Trommelwirbel begann die Attraktion der Schwertkunst eingebettet in die Geschichte einer tiefen Freundschaft zweier Kinder diesseits und jenseits des Flußes. Kerub, der noch immer am Kostüm von Mikael weilte, hielt sein Leuchten dezent und doch war dies für Nisaba das entscheidene Zeichen. Er sah, wie sich in den Diamantenaugen kleine Tränen bildeten und leise an ihren Wangen herunterflossen. Sie hatte Mikael erkannt und spürte im selben Augenblick Sehnsucht und Freude. Nachdem Mikael seine Darbietung beendet und der Applaus verklungen war, verließ sie ihren Platz mit der Entschuldigung, dass sie sich unwohl fühlt und allein zu Bett auf ihr Zimmer geht. Sie ging durch die Portaltür und sendete von dort ein Nicken mit dem Kopfe in die Richtung eines kleinen Turmes und sah ihrem Schwertkünstler fest in die Augen für einen Moment. In ihrem Zimmer angelangt, nahm sie ihr Schwert Sigma und einen Beutel mit Zwieback, Wasser und die Halskette mit dem blauen Edelstein von ihrer Mutter und den Ring von ihrem Vater. Durch die Geheimgänge der Burg schlich sie sich und landete nach der neunten Tür direkt in den Armen von Mikael.

Gemeinsam setzten sie sich auf dem Fußboden nieder und ließen die Zeit still stehen. Nach einigen Momenten vernahmen sie das Geräusch von fliegenden Pfeilen und erste Schreie. Beide nahmen zur gleichen Zeit ihr Schwert in die Hand und standen langsam auf. Gerade noch rechtzeitig, denn schon im nächsten Augenblick stürmten durch die gegenüberliegende Tür zwei Gestalten, die vollkommen in schwarze Kutten eingehüllt waren und sie grauer Nebel umgab. Jedoch konnten die Beiden unentdeckt bleiben und nachdem die zwei Gestalten weiter gestürmt waren, fliehen. Sie gelangten vor die Mauern der Burg und sahen wie diese in Flammen aufging. Und überall diese dunklen Gestalten, die Menschen gefangen nahmen und sie in schwarze Kisten verfrachteten.

Mittlerweile hatte sich Kerub über Nisaba und Mikael erhoben und leuchtete ihnen beiden, unsichtbar für die Anderen. In Beide flüsterte er hinein: „Zerschneidet ihre schwarze Kutten und sie werden sich in weißen Rauch auflösen.“  Sofort begannen sie damit. Zwei schwarzen Gestalten schnitten  sie mit ihren Schwertern Löcher in deren Kutten, so daß Mondlicht hindurch scheinen konnte. Ein erlösendes Stöhnen ertönte, die Kutten fielen zur Erde und weißer Rauch stieg empor, woraus sich kleine Wolken formten. Einige Insassen der Burg und Gefährten von Mikael hatten dies mit angesehen und taten es auch sogleich bei anderen schwarzen Gestalten. Somit füllte sich die Erde in und vor der Burg mit schwarzen Kutten und hunderte von Rauchsäulen stiegen auf. Nisaba entdeckte auf der anderen Seite der Brücke die größte schwarze Gestalt, welcher eine Krone aus Knochen auf dem Kopfe trug. Er trug ein langes schwarzes Schwert. Sie stürmte über die Brücke.

Aus dem Tor der Burg trat mit festen Schritten ein großes Tier vor Mikael. Zwischen seinen zwei Hörnern hatte sich die aufgehende Sonne platziert. Mit seinen gutherzigen und großzügigen Augen sah es Mikael an und ohne das es sein Maul öffnete, sprach es den Jüngling an. „Ich bin Lukas, fürchte dich nicht. Steig auf meinen Rücken und du wirst den König der dunklen Gestalten besiegen.“

Mikael fasste Mut, streichelte den Stier und schwang sich auf dessen Rücken. Kerub indes freute sich über die Stärke und Ruhe mit welcher sie über die Brücke durch die dunklen Gestalten hindurch kamen und vergaß dabei für einen Augenblick auf Nisaba zu achten. Ein Dutzend der dunklen Gestalten auf der anderen Seite des Flusses hatten sie in die Nähe des Königs gedrängt, welcher sie mit auf sein Pferd packte und sofort mit ihr in Windeseile über den Wolken verschwand. Somit den Blicken von Mikael und Kerub entschwunden, blieb nur die Hoffnung mit Lukas am Fluß entlang den Weg zu nehmen.

Sie kamen an eine Höhle von Vulkangestein und hörten von dort ein leises Wimmern. Der gutherzige Stier hielt an und Mikael schaute in die Höhle hinein. Von dem Anblick eines Löwen erschrocken, stolperte er ein wenig rückwärts und landete auf seinem Hinterteil. Ein großes stolzes und doch mit Tränen gefülltes Augenpaar sah ihn an. Um es herum sahen fünf kleine ängstliche Löwenkinder in seine Richtung und wimmerten. Auf allen Vieren bewegte sich Mikael wieder in die Höhle hinein und schaute von den Löwenkinder zur Löwenmutter. In ihrer einen Vordertatze entdeckte er einen großen Holzspan.

„Ich werde dir helfen und den Span herausziehen. Danach lege ich dir eine Kräutersalbe auf und du kannst morgen wieder gehen. “ Sowie er mit seinen Worten geendet hatte, war der Holzspan schon aus der Tatze entfernt. Hinter seinem Rücken hörte er ein stolzes und kräftiges Knurren, jedoch ließ er sich nicht beirren und trug die Kräutersalbe von Nisaba auf. Nachdem er damit fertig war, spürte er eine schwere Tatze auf seiner rechten Schulter.

„Ich danke dir für deine Hilfe. Weil du so gütig und mutig gewesen bist, werde ich dich auf der Suche nach Nisaba begleiten. Lukas hat mir bereits alles erzählt. Mein Name ist Thot.“ Die Löwenkinder sprangen vor Glück um Mikael herum und die Löwenmutter schenkte ihm und ihrem Löwenmann ein freudiges Lächeln für die weitere Reise.

Ein weiter Weg durch Täler, über Berge bis auf die Insel mit den Drachenbäumen lag vor ihnen.

Hier erstrahlte einst umgeben von Drachenbäumen und Apfelbäumen ein weißes Schloß mit Türen und Fenstern aus dem Holze von Walnußbäumen. Der Garten mit dem Schloß war durch einen Wall aus Birkenholz umgeben und das riesige Tor war reich mit Kristallen, Saphiren, Opalen und Smaragden verziert. Nun lagerten auf der Insel die dunklen Gestalten und in dem Schloß thronte der dunkle König. Eine drückende Stille herrschte hier und in dem Himmel darüber lagen dunkle riesige Wolken, welche jetzt mit roten und weißen Blitzen durchzogen wurden. Die dunklen Gestalten vor dem Tore blickten beunruhigt in die Richtung der Blitze und hielten fest ihre Kutten um ihren Körper. Für sie ging dort in dem Schloß etwas Schreckliches vor sich und sie hatten Angst herauszufinden, was vor sich ging. Der kleine Sonnenstern Kerub konnte sich unbemerkt auf einem Fenstersims eines großen geöffneten Fensters niederlassen, wodurch er in den Thronsaal sehen konnte.

Auf dem Thron saß der König mit seiner Krone aus Knochen und auf seinem Schoß lag das lange schwarze Schwert. Neben ihm lag auf der Erde Nisaba und weinte leise. Ihr schickte er einen unsichtbaren roten Sonnensternstrahl und sie fiel in einen tiefen Schlaf. Am nächsten Morgen erwachte sie und erinnerte sich an die Worte von Kerub aus ihrem Traum. Er hatte ihr die Geschichte und das Geheimnis des Königs erzählt. Er war nicht immer eine dunkle Gestalt.

Es brauchte nur einer Prinzessin, welche sich nicht vor ihm fürchtete und ihn von der Krone und der Kutte befreite.

An einer langen Tafel wurde für den König und Nisaba ein Essen mit Früchten, erlesenen Säften, Käse und Hirsebrei angerichtet. Zaghaft nahm sie von jedem eine Kleinigkeit und legte es auf einen silbernen Teller und mit diesem ging sie zum Platze des Königs. Sie täuschte ein Stolpern vor und der Inhalt des Tellers landete zwischen den Knochen der Krone und auf der dunklen Kutte. Seine Blicke waren zornig und ängstlich zugleich. Schnell griff sie nach einem Tuch und schwang sich auf dessen Schoß, legte ihre linke Hand auf sein Herz, summte eine Melodie aus ihren Kindertagen und wischte scheinbar die Knochen mit dem Tuch in der rechten Hand sauber. Ein Stück nach dem anderen fiel aus der Krone heraus und seine weißen Haare zeigten sich.

Aus lauter Glückseligkeit sendete Kerub rote Strahlen in den Himmel. Der König wollte sich von Nisaba befreien, jedoch brachte er nicht die Kraft auf sich von Nisabas linker Hand auf seinem Herzen zu lösen. Es fühlte sich warm an, ein altes längst vergessenes Gefühl. Auch wenn es etwas schmerzte. Mit ihrer rechten Hand öffnete sie nun vorsichtig den Gürtel der Kutte. Langsam öffnete sich der Umhang, die Augen des Königs füllten sich mit Tränen und am Himmel über dem Schloß donnerte und blitzte es.

Dies konnten nun auch Mikael, Lukas und Thor am Ufer des Festlandes sehen. Sie hielten Ausschau nach einem Schiff, welches sie auf die Insel bringen konnte. Es fanden sich mutige Fischer, die mit ihrem Boot die drei Gefährten an die Insel heran fuhren. Hier am Ufer saß auf einem hoch herausragenden Stein ein Adler.

„Ich habe euch aus den hohen Lüften gesehen und heiße euch herzlich auf unserer Insel der Drachenbäume und Apfelbäume willkommen. Ich werde euch den kürzesten und sichersten Weg durch den Wald zum Schloß weisen.“ Der Adler erhob sich und flog geradewegs in den Wald hinein. Tapfer schritten die drei Gefährten hinterher. Nach einer Weile erreichten sie den Rand des Waldes und sahen sich tausenden von dunklen Gestalten gegenüber. Seraphim, der Adler flog weiter und kreiste vorsichtig um das Schloß herum.

Mikael zog sein Schwert heraus, worauf sich sofort die roten und weißen Blitze in ein weit strahlendes Licht verwandelten und über die dunklen Gestalten schwebte. Er stieg von Lukas herab und alle drei Gefährten schritten durch die Menge der dunklen Gestalten. Die Augen von Lukas leuchteten blau und die Mähne von Thor erstrahlte golden. Geblendet von dem Licht des Schwertes, des Blaues und des Goldes lösten die dunklen Gestalten ihre festen Griffe um ihre Kutten. Sie zogen sich zurück und somit bildete sich ein Weg zum Tor des Schlosses. Das Tor öffnete sich durch eine Berührung von Mikael. Die Drei folgten mit ihrem Blick dem Adler, welcher neben Kerub auf dem Fenstersims gelandet war. Durch das Fenster klang eine wohlklingende Melodie und aus der Tür traten die letzten dunklen Gestalten heraus. Das Innere des Schloßes erleuchtete in einem strahlenden Licht. Lukas trat als erster ein und bahnte ihnen den Weg in den Thronsaal. Sie kamen vor der langen Tafel an und sahen dort einen großen weinenden Mann mit einer Krone aus Gold und einem Gewand aus himmelsblauer Seide.

Lukas, Thor und Seraphin ließen sich in der Mitte des Saales nieder und Mikael eilte zu Nisaba um sie in seine Arme zu nehmen. Dabei fiel sein Schwert in den Schoß des Königs. Dieser räusperte sich und sprach:“ Ihr Liebenden habt mich von dem Fluch der Lieblosigkeit befreit. Der Fluch traf mich, weil ich wollte, dass sich jedes Lebewesen vor mir fürchtet und mir nur Gold und Edelsteine wertvoll erschienen. Ich verstieß meine mich liebende Frau und meine Kinder.“

Nun waren auch mittlerweile alle dunkle Gestalten wieder in Menschen verwandelt. Sie feierten ihre Erlöser und ein großes Fest wurde gefeiert.

„Ruhe bitte für einen Moment.“ Sagte der König. „Euch beiden liebe Nisaba und lieber Mikael gebührt das Schwert der Liebe, Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit. Bewahrt es gemeinsam auf. Meine lieben alten Freunde Lukas, Thot und Seraphim lasst uns wieder in Frieden beieinander sein.“

Das Fest dauerte noch sieben Tage und sieben Nächte. Danach begleitete Thot die beiden Herangewachsenen auf eine mit Blumen übersäte Wiese, wo ein weißes Haus mit einem riesigem Apfelbaum an dem goldene Apfel wuchsen und Kerub sie bereits erwartete. Beide konnten im Scheine des Lagerfeuers ihn sehen. Er lächelte sie an und stieg wieder hinauf in das Universum, um mit seinen Geschwistern ein Sonnenstrahlenfest zu feiern.

Nisaba und Mikael lebten glücklich in ihrer neuen Heimat und wenn sie nicht gestorben sind dann leben sie noch heute und du kannst dich an ihrem Lagerfeuer erwärmen.

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